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Kulturwandel

Als der Mensch damit begann Ackerbau zu betreiben und Haustiere zu halten, musste er sich erst den Platz dafür schaffen. Denn bisher war der Mensch ein Waldbewohner (jedenfalls in Europa).

Nur an wenigen Stellen, wie den Mooren und Feuchtgebieten oder auf Felsen, waren die Bedingungen so extrem, dass keine Bäume wachsen konnten. Hier hatten sich spezialisierte Tier- und Pflanzenarten angesiedelt, die im Gegensatz zu den Bäumen gut mit diesen Lebensbedingungen zurecht kamen. Als der Wald gefällt wurde, konnten sie sich ausbreiten. Viele Arten, die in unserer Zeit weit verbreitet sind, hätten ohne diese Entwicklung kaum eine Chance gehabt.

 

Mit den Kelten wurden im Ösling die ersten Waldstücke gerodet und Felder angelegt. Mit Sicherheit waren es jedoch nur einige, kleine Parzellen, da die keltische Landwirtschaft nicht auf eine Massenproduktion ausgelegt war.

Mit den Römern begannen die ersten großflächigeren Rodungen. Dies war notwendig, um den enormen Bedarf der römischen Siedlungen und Militäranlagen decken zu können. Die Römer führten neue Getreidesorten, Gewürze, Kräuter und andere Mittelmeerpflanzen ein. Der Getreideanbau wurde so vergrößert und verbessert, dass die Produktion um das Dreifache gesteigert werden konnte. In unserer Kulturlandschaft ist von der römischen Landbewirtschaftung direkt nichts mehr zu sehen. Doch viele Obstsorten, wie Aprikose, Pfirsich, Kirsche und Pflaume oder die Weinreben haben sie hinterlassen.
Das Holz, das für die Schaffung neuer Ackerflächen von den Römern geschlagen wurde, diente dem Bau von Übungslagern, Häusern, Brücken und Straßen.

Zur Zeit der Fränkischen Landnahme begannen massiven Rodungen. Durch den großen Bevölkerungsanstieg wurde der Platz gebraucht um Siedlungen, Äcker und Weiden anzulegen. Zusätzlich stieg der Bedarf an Holzkohle, da die örtlichen Erzvorkommen verhüttet werden mussten, um Werkzeuge und Waffen herzustellen. Man vermutet, dass bereits zu dieser Zeit an der Kupfergrube Stolzemburg Schurfarbeiten durchgeführt wurden. Mehr dazu im Kapitel "Ein kleiner Riss".

Die Völkerwanderungen dieser Zeit (4. bis 10. Jahrhundert) führten zur stärkeren Besiedlung Westeuropas. Welche Gründe die Menschen damals zu ihren langen Wanderungen führten, ist nicht ganz geklärt. Eine Ursache könnte die Klimaverschlechterung in Nordeuropa gewesen sein. Auch die Bevölkerungszunahme und die damit einhergehende Landnot sowie der Vorstoß der Hunnen in den Balkan- und Donauraum könnte den Ausschlag gegeben haben.

Zeitgleich entwickelte sich das Lehenswesen. Es wurde notwendig, da die fränkischen Herrscher vollauf mit der Kriegsführung beschäftigt waren und zunehmend Aufgaben an weltliche und geistliche Herren abgeben mussten. Als Gegenleistung für diese Dienste erhielten die Vasallen von ihrem König Dienstgüter, die auch als Lehen bezeichnet werden. Das hatte entscheidende Auswirkungen auf die Gesellschaft und die mittelalterliche Agrarstruktur. Diese Lehen entwickelten sich mit der Zeit zu umfangreichen Ländereien, die vom Haupthof des Grundherrn, dem Salhof, geleitet wurden. Die übrigen Ländereien wurden von Nebenhöfen verwaltet, denen die Bauern unterstanden. Das Land des Großherrn blieb teilweise bis zum Beginn der Neuzeit stabil, während das Bauernland immer weiter unterteilt wurde.

Der Ackerbau war die wichtigste Wirtschaftsform, um Lebensmittel zu produzieren und den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ergänzt wurde das durch die Jagd, das Sammeln von Kräuter und Früchten und der Waldnutzung. Große Wald- und Moorgebiete wurden jedoch nicht genutzt.

Neben der bisher durchgeführten Landwechselwirtschaft (vor allem Feld-Gras-Wechselwirtschaft) entwickelte sich die Dreifelderwirtschaft. Im jährlichen Wechsel wurde ein Feld mit dem vor dem Winter gesäten Wintergetreide (damals Roggen, Emmer) und eines mit dem nach dem Winter gesäten Sommergetreide (Hafer, Hirse, Gerste) bestellt. Das dritte Feld blieb als so genannte Brache ackerbaulich ungenutzt. Es diente jedoch als Viehweide und Unkraut wurde gejätet. Der Flurzwang schrieb den Bauern die Fruchtfolge vor. Die Dreifelderwirtschaft bedeutete gegenüber früheren Anbauformen einen deutlich höheren Ertrag.


nach Wiese und Zils, 1987

Mit einem deutlich höheren Ertrag ist gemeint, dass man teilweise von einer Verdoppelung der Ernte ausgehen kann. Neben der neuen Wirtschaftsform waren mit Sicherheit auch andere landwirtschaftliche Neuerungen, die Verbesserung der Agrartechnik und die Erweiterung der landwirtschaftlichen Nutzfläche verantwortlich. Diese Entwicklung wirkte sich auch auf das Bevölkerungswachstum im Hochmittelalter aus, das ähnlich wie die Ernteerträge zunahm.

Die spätmittelalterliche Wüstungsperiode, ausgelöst durch die Pestepidemie, wirkte sich auch auf die Kulturlandschaft aus. Viele Menschen starben und die Nachfrage nach Feldfrüchten oder anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen nahm stark ab. Viele Höfe wurden aufgegeben und damit auch das bisher bewirtschaftete Land.

Durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ging die Bevölkerung nochmals zurück und es wurden viele Dörfer und Land verwüstet. Der darauf folgende Wiederaufbau nahm auch Einfluss auf die Entwicklung der Kulturlandschaft. Nach diesem langen und verlustreichen Krieg bauten die Landesherren ihre uneingeschränkte Hoheit in ihren Territorien aus und nahmen stärkeren Einfluss auf die kulturlandschaftliche Entwicklung.

 

Im 18. Jahrhundert wurde der Norden Luxemburgs systematisch auf Karten aufgezeichnet. Diese so genannten Ferraris-Karten geben einen Einblick, wie damals die Landschaft ausgesehen haben könnte.

Weite Flächen des Öslings waren waldfrei. Auf den – im Vergleich zu heute – kleinen Waldparzellen standen ausschließlich Laubbäume. Alle Flächen die zur Beweidung oder als Acker genutzt werden konnten, wurden auch bewirtschaftet. In der Nähe der Dörfer befanden sich die Ackerflächen. Voraussetzung war, dass der Boden für den Anbau von Getreide und anderen Feldfrüchten geeignet war, denn der Kunstdünger war noch lange nicht erfunden. Die größte Fläche nahmen die Heideflächen ein, die als Weiden genutzt wurden. Jedoch handelte es sich nicht um Weiden wie wir sie heute kennen. Sie waren meist mit Ginster und Heidekraut zugewachsen. Zusätzlich zu diesen Flächen wurde auch der Wald beweidet. Dadurch entstand in den Wäldern ein stark aufgelichtetes, buntes Gemisch aus Eichen, Kirschen, Eschen, vereinzelte Birnen- und Apfelbäume, Weißdorn, Schlehe, Holunder usw.
In den Täler sind in diesem Kartenwerk, wenn sich dort kein Wald befand Wiesen eingezeichnet.

Mit der Zeit entwickelten sich um die Weiden Hecken, die auch als Einzäunung dienten. Auch die Wege zu den Talwiesen waren von Hecken gesäumt.

Durch die übermäßige Nutzung und Beweidung der Wälder, erreichte die Waldfläche im 19. Jahrhundert ihren bis heute niedrigsten Stand. Dadurch gab es auch keine klar abgegrenzten Übergänge zwischen Wald und Offenland, wie es heute der Fall ist.
Die verödeten Äcker und Weiden wurden mit Plaggen, Asche, Kalk und Mergel gedüngt. Diese Dünger wurden Mitte des 19. Jahrhunderts vom Kunstdünger abgelöst, der auch auf ärmeren Böden eine gute Ernte ermöglichte. Zudem machte die Entwicklung des Tiefpflugs die Kultivierung von Heideflächen möglich.

 

Ende des 19. Jahrhunderts begann man damit die Wälder mit Fichten aufzuforsten. An den wärmebegünstigten Hängen geschah dies mit der Eiche, deren Rinde (Lohe) zum Ledergerben verwendet wurde. Genaueres zu diesem Thema finden Sie im Kapitel "Eichenleder".

Mit dem 20. Jahrhundert überschlagen sich die Ereignisse, was die Beeinflussung oder Veränderung der Kulturlandschaft angeht. Es beginnt ein massiver Infrastrukturausbau, Energie- und Rohstoffbedarf steigen und damit die Umweltprobleme. Der zunehmende Einsatz von Maschinen und technischen Geräten in der Landwirtschaft beeinflusst selbstverständlich auch das Bild der Kulturlandschaft.

Viele Menschen wanderten zu dieser Zeit in den Süden Luxemburgs oder andere Regionen, da sie in der dort angesiedelten Industrie ein besseres Auskommen hatten. Die Bauern, die im Ösling zurückblieben, konnten oder mussten dadurch immer mehr Land bewirtschaften. Um die immer größeren Flächen zu bewältigen, kamen technische Geräte zum Einsatz, die die Arbeit auf dem Feld und die Weiterverarbeitung der Feldfrüchte erleichterten.

 

Der Einsatz von Maschinen macht eine Umstrukturierung der Landschaft notwendig. Durch die Flurbereinigung sollen große zusammenhängende Flächen geschaffen werden, die „an einem Stück“ bewirtschaftet werden können. Für den Landwirt ist das sicherlich ein Vorteil. Er spart damit viel Zeit, da er nicht mehr von einer kleinen Parzelle zur nächsten lange Strecken zurücklegen muss. Für die Natur und Kulturlandschaft erweisen sich jedoch die großen Monokulturen als Nachteil. War die Artenvielfalt durch die kleinparzellige Wirtschaftsweise zwischem dem 16. und 19. Jahrhundert am höchsten, geht sie seit dem 20. Jahrhundert dramatisch zurück. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass durch den Einsatz von Dünger, Fluss- und Bachbegradigungen, Entwässerungsmaßnahmen und Meliorationen die Verhältnisse ausgeglichen werden. Es können sich Arten durchsetzen, die an diese mittleren Verhältnisse angepasst sind. Spezialisten, die an besondere Verhältnisse angepasst sind, werden entweder ganz oder auf die wenigen, kleinen Sonderstandorte zurückgedrängt.