Ein fremder König
Von Natur aus würde der Wald im Naturpark Our zu annähernd 100 % aus Laubholz bestehen, wobei die Buche (Fagus sylvatica) die vorherrschende Baumart wäre. Betrachtet man einmal die heutige Situation, so stellt man jedoch fest, dass der Großteil der Waldfläche nicht von der Buche, sondern von der Nadelbaumart Fichte bedeckt ist.
Auf die Frage, warum heute so ein großer Teil des Waldes im Naturpark Our von von einer Baumart beherrscht wird, die es von Natur aus hier gar nicht geben würde, geht der folgende Text genauer ein. Außerdem wollen wir Ihnen auch noch die anderen Nadelholz-"Exoten“ vorstellen, die sie in den Wäldern des Naturparks Our entdecken können.
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Der Siegeszug der Fichte
Der Siegeszug der Fichte setzte in Luxemburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein. Aufgrund ihres, im Vergleich zu den Laubholzarten Buche und Eiche, sehr raschen Wachstums, ihrer vergleichsweise geringen Ansprüche an die Nährstoffversorgung sowie ihrer einfachen waldbaulichen Erziehung wurde die Fichte ab dieser Zeit in stark zunehmendem Umfang gepflanzt. Durch den Anbau der Fichte konnte der Waldbesitzer die Ertragskraft seines Waldes deutlich steigern. Das rasche Wachstum der Fichte ermöglichte ein frühes Ernten des Holzes und das Erwirtschaften von Erlösen. Außerdem war das Holz der Fichte aufgrund seiner vorteilhaften holzphysikalischen Eigenschaften (hohe statische Belastbarkeit bei zugleich relativ geringem Gewicht) im Bauwesen sehr gefragt und entsprechend gut bezahlt.
Ein weiterer Grund für den verstärkten Anbau der Fichte lag darin begründet, dass diese Baumart auch noch auf schlechteren Standorten eine vergleichsweise hohe Produktivität aufwies. Mit dem um 1880 einsetzenden Preisverfall für Eichenrinde als Gerbmittel für die Lederherstellung (man setzte zwischenzeitlich chemische Gerbstoffe, wie z. B. Chromsalze zur Herstellung von Leder ein) sank auch zugleich die wirtschaftliche Rentabilität der Eichenrindegewinnung in den bis dahin im Ösling noch weit verbreiteten Eichenniederwäldern.
Den Waldbesitzern versprach der Anbau der Fichte eine Verbesserung der Einkommenssituation ihres Waldbesitzes, auch auf Standorten, die infolge von vorangegangener nicht nachhaltiger Nutzung in Mitleidenschaft gezogen worden waren.
Diese Entwicklung hin zur Fichte wurde auch von der damaligen Forstpolitik gefördert und unterstützt, da man im verstärkten Anbau der Fichte das geeignete Mittel für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rentabilität und der Leistungsfähigkeit der Waldbewirtschaftung sah.
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In Reih und Glied - eine typische Fichtenmonokultur |
So kam es auch, dass der ursprünglich nahezu vollständig aus Laubholz bestehende Wald im Naturpark Our im Laufe der Zeit zunehmend sein Gesicht veränderte und aus vielen der ehemaligen Buchenhoch- und Eichenniederwälder reine Fichtenmonokulturen wurden.
Die damalige „Fichteneuphorie“ wirkte sich jedoch nicht nur auf die Baumartenzusammensetzung des Waldes aus, sondern führte auch zu einer markanten Veränderung der Kulturlandschaft im Naturpark Our. So wurden viele der zahlreichen engen und häufig unbewaldeten Kerbtäler im Naturpark Our mit Fichten bepflanzt. Besonders zu bedauern ist dabei der Verlust der ursprünglich in den meisten Talsohlen vorhandenen Feuchtwiesenflächen, die sich durch einen besonders hohen Artenreichtum auszeichnen und Heimat zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten sind.
Kein Licht ohne Schatten
Die ursprüngliche "Begeisterung“ über die schnellwüchsige und gute Erlöse erbringende Fichte ist jedoch seit rund zwei Jahrzehnten einer gewissen Ernüchterung gewichen. So leidet die in Mitteleuropa nur in den Alpen und den Höhenbereichen der Mittelgebirge (Harz, Vogesen, Schwarzwald, Schweizer und Französischer Jura, Sudeten, Fichtelgebirge und Bayerischer Wald) natürlich vorkommende Fichte weit mehr als die meisten anderen Baumarten unter den Folgen der voranschreitenden Klimaveränderung mit ihren zunehmenden Klimaextremen.
Zudem ist die Fichte ist eine Baumart mit einem ausgesprochen flachen Wurzelwerk, d. h., dass ihre Wurzeln größtenteils nahe an der Oberfläche verlaufen und nur wenig in die Tiefe des Bodens eindringen. Aus diesem Grunde ist die Fichte auch sehr anfällig gegenüber Sturmereignissen, da ihr ein tiefreichendes und Stabilität verleihendes Wurzelwerk fehlt. Gut zu erkennen ist dies beispielsweise dann, wenn eine Fichte durch Sturm umgeworfen wurde und der flache Wurzelteller des Baumes auf der Seite liegt und in die Höhe ragt.
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Das Wurzelwerk eines Baumes ist jedoch nicht nur für seine Verankerung im Boden zuständig, sondern auch für seine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen die er für sein Wachstum benötigt.
Bei der Fichte wirkt sich hierbei wiederum ihr flaches Wurzelwerk nachteilig aus: wo andere Baumarten mit ihren Wurzeln in die Tiefe dringen und sich Wasser und Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten nutzbar machen können, bleibt die Fichte mit ihren Wurzeln auf den oberen Bodenbereich beschränkt.
Dieser Umstand hat besonders während langer sommerlicher Trockenphasen (man denke nur an den besonders trockenen Sommer 2003) fatale Auswirkungen auf die Vitalität der Fichte. In Extremfällen kann anhaltende Trockenheit zum direkten und vollständigen Absterben des Baumes führen, in jedem Falle aber wird er hierdurch geschwächt und somit anfälliger gegenüber Schädlingen und Krankheiten.
Besonders der Befall durch Borkenkäfer, wie dem Buchdrucker (Ips typographus), macht den durch Klimaextreme geschwächten Fichten in zunehmen-dem Umfang zu schaffen.
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Durch Borkenkäferbefall zum Absterben gebrachte Fichte
© Forstverwaltung |
Mittlerweile weiß man auch, dass der wiederholte Anbau von Fichtenmonokulturen auf derselben Fläche zu einer Versauerung (=Nährstoffverarmung) des Waldbodens führt. So zersetzen sich auf den Waldboden fallende Fichtennadeln, verglichen mit den Blättern von Laubbäumen, nur sehr langsam. Dies bedeutet, dass die in den Nadeln gespeicherten Nährstoffe nur sehr langsam wieder an den Waldboden zurückgegeben werden, wo sie über das Wurzelsystem erneut von den Bäumen aufgenommen werden können. Diese, ohnehin nur langsam ablaufende Zersetzung der Fichtenstreu wird durch den Mangel an Licht, der in den häufig sehr dicht stehenden Fichtenmonokulturen besteht, noch weiter verstärkt. Im Laufe der Zeit bilden sich daher in solchen Wäldern dicke Schichten aus unzersetzten Fichtennadeln.
Douglasie, Lärche, Kiefer und Co
Neben der Fichte trifft man im Wald des Naturparks Our aber auch noch auf andere "fremde“ Nadelholzarten, die es hier ohne den Einfluss des Menschen gar nicht geben würde. Im Vergleich mit der Fichte nimmt sich der Flächenanteil dieser Baumarten jedoch vergleichsweise bescheiden aus. Aufgrund der verstärkt auftretenden Probleme, die mit dem Anbau der Fichte verbunden sind, hat von den "Nadelholzexoten“ besonders die Douglasie und in geringerem Umfang auch die Lärche in den letzten Jahren spürbar an Bedeutung gewonnen, da diese beiden Baumarten gegenüber Klimaextremen und Insektenbefall widerstandsfähiger sind, als die Fichte.
Die Douglasie
Die Douglasie (Pseudotsuga menziesii) stammt ursprünglich aus dem westlichen Teil Nordamerikas. In Luxemburg wurden die ersten Douglasien Ende des 19. Jahrhunderts gepflanzt, von denen einige Exemplare noch heute in der Gegend von Echternach stehen und die einen Eindruck vermitteln, zu welch mächtigen Bäumen sich die Douglasie entwickeln kann. Das Wachstum der Douglasie ist außergewöhnlich stark und liegt deutlich über dem vieler anderer Baumarten. Jährliche Höhenzuwächse von über 1 m sind bei der Douglasie keine Seltenheit. Aufgrund ihrer vielen Vorzüge ist der Umfang von Douglasienpflanzungen in den vergangenen Jahren erheblich angestiegen. Zudem ist die Douglasie in Bezug auf die Bodenfruchtbarkeit vergleichsweise genügsam und erbringt auch noch auf schlechteren Standorten respektable Wuchsleistungen.
Die Lärche
Neben der Douglasie kann man an verschiedenen Stellen des Waldes im Naturpark Our auch die Lärche entdecken.
Besonders im Herbst, wenn sich ihre Nadeln goldgelb verfärben, sind Lärchen im Wald besonders gut erkennen. Einzigartig an der Lärche ist, dass sie ihre Nadeln - wie Laubbäume ihre Blätter - jedes Jahr vor dem Winter abwirft und im Frühjahr neu bildet.
Die Lärche wächst zwar nicht so schnell wie die Douglasie oder die Fichte, doch zeichnet sich diese Baumart durch eine außerordentlich hohe Sturmfestigkeit aus. Da die lichte Krone der Lärche sehr viel Licht auf den Waldboden lässt, findet man unter Lärchen (anders als unter dem Schirm der Fichte oder Douglasie) i. d. Regel eine gut entwickelte, artenreiche Kraut- und Strauchschicht vor.
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Nicht zu übersehen und unverkennbar - goldgelb leuchtende Lärchen in der Herbstsonne |
Neben Fichte, Douglasie und Lärche, kommen in sehr geringem Umfang auch noch Waldkiefer und Weißtanne in den Wäldern des Naturparks vor.
Die Waldkiefer
Die Waldkiefer (Pinus sylvestris) ist eine bemerkenswert anspruchslose, robuste Baumart, die auch mit länger anhaltender Trockenheit gut zurecht kommt. Wie die die Lärche ist auch die Kiefer besonders standfest und trotzt mit ihrem tiefreichenden Herzwurzelsystem selbst starken Stürmen.
Allerdings ist sie deutlich weniger wuchsstark als die zuvor genannten Nadelholzarten. Das Holz der Kiefer ist auf dem Markt zudem weniger gefragt und erzielt auch nur geringere Preise.
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Blick in einen, vollständig von Adlerfarn bedeckten Kiefernwald |
Die Weißtanne
Die Weißtanne (Abies alba) erlangte während der Zeit des Waldsterbens zu Beginn der 1980er Jahre in Mitteleuropa traurige Berühmtheit, da sie von allen Baumarten am stärksten vom Waldsterben betroffen war.
Im Naturpark Our wurde die Weißtanne jedoch lediglich in äußerst geringem Umfang angepflanzt und ist nur an wenigen Stellen zu entdecken.
Die Weißtanne ist eine vergleichsweise anspruchsvolle Baumart, die ein gewisses Mindestmaß an Feuchtigkeit und ausreichende Niederschlagsmengen benötigt.
Bemerkenswert ist, dass diese Baumart im Gegensatz zu den anderen beschriebenen Nadelholzarten in der Lage ist, überall an ihrem Stamm neue Äste auszubilden und so von unten herauf eine neue Krone auzubauen. Mit dieser Eigenschaft ähnelt die Weißtanne dabei vielmehr einem Laub- als einem typischen Nadelbaum.
Das Holz der Weißtanne ist dem der Fichte sehr ähnlich, weshalb diese beiden Baumarten auf dem Holzmarkt meist auch zusammen vermarktet werden.
Die Eibe – ein fast vergessener Waldbaum
An dieser Stelle sollen abschließend aber auch noch einige Worte über die Eibe (Taxus baccata) verloren werden. Zwar ist diese Baumart heute aus den Wäldern im Naturpark Our vollständig verschwunden, doch dürfte sie in früheren Zeiten von Natur aus dort häufiger anzutreffen gewesen sein.
Verantwortlich für ihr vollständiges Verschwinden sind vor allem zwei Gründe: zum einen war das sehr elastische und zugleich eisenharte Holz der Eibe im Mittelalter für den Bau von Bögen und Armbrüsten sehr gesucht und gut bezahlt, was zu einem starken Rückgang dieser Baumart in ganz Europa führte.
Der zweite Grund war, dass man vielerorts noch bis in das 19 Jh. das Vieh zur Weide in den Wald trieb (Waldweide); für diese Tiere stellten im Wald vorhandene Eiben eine große Gefahr dar, da fast alle Pflanzenteile der Eibe (bis auf den roten Fruchtkörper) den hochgiftigen Wirkstoff Taxin enthalten. Nicht selten kam es daher vor, dass Tiere während der Waldweide verendeten, da sie an den Pflanzenteilen der Eibe geäst hatten. Aus diesem Grunde wurden die noch wenigen im Wald verbliebenen Eiben zum Schutz des Viehs gefällt.
Von allen bei uns vorkommenden Baumarten ist die Eibe diejenige mit dem geringsten Lichtbedarf, wodurch es ihr möglich ist sich auch unter dem dichten Schirm anderer Baumarten zu entwickeln. Zwar wächst die Eibe nur sehr langsam und erreicht auch nur geringe Baumhöhen, doch ist das seltene Holz auf dem Markt gefragt und wird entsprechend gut bezahlt.
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